Schreiben ist Hingabe? Aha.
Entspanntes Schreiben ist fast so einfach wie einfach Drauflosreden. Man setzt sich hin, nimmt den Stift und legt los. Ungefiltert. Zulassend. Sich dem Prozess hingebend. Ja, es hat mit einer eher dem Weiblichen zugeordneten Kraft zu tun – der Hingabe.
Schon gut, hört sich schön an, aber wie klappt das nun mit der Hingabe ans Schreiben, dem Dahinfließenlassen der Worte, ohne groß darüber nachzudenken, was dabei herauskommt. Wie funktioniert das mit dem Schreib-Fluss oder dem sogenannten Schreib-Flow und so?
Unser Gehirn ist scheinbar irgendwie darauf programmiert, zu allem, was uns begegnet, geschieht oder auch nur beschäftigt, erst einmal Gefühle und dann direkt auch schon Gedanken zu produzieren. Wir denken unaufhörlich, und meist ziemlich unbewusst: bewerten in Kategorien wie gut oder schlecht, zermalmen die Dinge in Aspekte, Facetten, Stücke ihrer selbst, bis vom eigentlichen Auslöser, von dem, was uns einen Denk- oder Gefühlsimpuls gegeben hat, kaum noch was übrigbleibt.
Beim Versuch, etwas zu Papier zu bringen, läuft das eigenartigerweise ganz ähnlich: Wir setzen uns hin, und ehe noch der Stift die Gelegenheit bekommt, das Papier zu berühren, beginnen wir schon damit, das, was aus uns fließen möchte, verkrampft zu suchen, anzusehen, zu beurteilen, infrage zu stellen usw. usf.
Was bleibt dann noch übrig von all der Vielfalt, von all den Worten, die sich einfach nur ergießen wollen in die Form des Noch-nicht-Geschriebenen? Oftmals gar nichts mehr. Denn durch dieses Zerdenken zerstören wir das, was einfach nur sein und entstehen wollte, bevor es sich überhaupt zeigen kann.
Schreiben im Flow ist ganz einfach.
Um so schreiben zu können, wie es Menschen tun, die innerhalb einer halben Stunde zwei, drei oder vier ganze Seite füllen können, müssen wir lernen, uns selbst und unseren Anspruch an uns zurückzustellen. Einen Schritt zurückgehen und das einfach nur hervorkommen lassen, was rauskommen möchte, und zwar über unsere Hand. Korrigieren und Kommentieren und Verbessern müssen warten.
Wie die Worte uns ja allzuoft auch einfach so über die Lippen kommen, ohne dass wir darüber nachgedacht, uns darauf vorbereitet, abgewogen und gegrübelt hätten, was wir wohl am besten sagen und vor allem, wie … Nein, beim Reden ist es komischerweise oft genau andersherum. Wir poltern redend einfach so darauf los und richten damit zum Teil tatsächlich Schaden an bei unserem Gegenüber, das heftig um die Ohren bekommt, was sich durch uns Bahn brechen wollte. Manchmal bereuen wir das dann im Nachhinein. Manchmal sind wir ganz froh, dass es mal raus ist.
Ob wir es nun wollen oder nicht, ein sehr großer Teil unserer Selbst liegt im Unbewussten. Wir kennen uns nicht so gut, wie wir gerne meinen. Wir wissen einfach nichts davon, aber dieses ganze Unbewusste ist da. Manchmal zeigt es sich düster und bedrohlich in Form verbaler Ausbrüche, unerklärlicher Ängste oder vielleicht auch Ahnungen. Deshalb macht es uns für gewöhnlich eher ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn wir daran denken. Auch wieder unbewusst spüren wir, dass es etwas ist, was uns mehr im Griff haben könnte, als uns vielleicht lieb ist. Und deshalb verdrängen wir es, statt uns ihm zu öffnen, ihm angemessen Raum zu geben, es fließen zu lassen. Es handelt sich dabei nämlich nicht zuletzt um unsere ureigene Kreativität. Sie erwächst aus dem Unwägbaren und nimmt uns mit ins Unbekannte …
Ein kreatives Meer voller Möglichkeiten
Wir verstehen das oft falsch. Es geht nicht darum, dieses unbewusste Meer zurückzuhalten. So staut es sich nur auf. Alles, gegen das wir ankämpfen, ob bewusst oder unbewusst, wird größer, gewinnt mehr Macht über uns, als es unaufgestaut hätte. Diese Kraft arbeitet dann gegen uns und blockiert uns, nicht nur beim Schreiben.
So gesehen kann das Schreiben sogar eine überlebenswichtige Fähigkeit sein. Ein Werkzeug, das es uns ermöglicht, uns mit einer Kraft zu konfrontieren und verbünden, die Teil von uns und doch ein Stück weit auch größer ist als wir selbst. Eine Kraft, die kanalisiert werden muss, damit sie uns nicht gefährlich werden kann. Wer frei schreiben kann, lebt gesünder, davon bin ich überzeugt. Schreiben ist wie Aufräumen in inneren Gefilden, in die sonst kaum Licht fällt. In denen es nicht nur spannend, sondern manchmal auch etwas unheimlich zugeht.
Aber unter all den verstaubten, spinnenverwobenen, verdrängten Dingen, die sich in dieser vielen gar nicht bewussten Welt befinden, schimmert ein helles Licht. Noch schwach vielleicht, doch mit jedem Schreiben wird es heller, bis es eines Tages das ganze Leben überstrahlt und in ein Licht taucht, das immer schon da war. Nur leider hatten wir es gar nicht wahrgenommen.