Arbeit ist Lebenszeit. Und zwar ziemlich viel davon.
Wenn ich mich so umschaue in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, dann stelle ich fest, dass dabei eigentlich kaum jemand wirklich glücklich ist mit der Arbeit, die er macht. Viele sind recht häufig stark frustriert und rappeln sich dann, nach einer kürzeren oder auch längeren Phase innerer Lust- und Motivationslosigkeit, irgendwie doch immer wieder auf, um mit dem weiterzumachen, was sie nicht erfüllt und in den meisten Fällen auch nicht voranbringt.
Warum sind so viele eben nicht erfüllt im Job?
Natürlich sind die Gründe individuell verschieden, aber ich glaube doch, einen allgemeinen Kern darunter erkennen zu können, der in den meisten Fällen zutrifft: Jeder dieser Menschen, von denen ich hier spreche, ist erst einmal recht hoch motiviert und freudig an seinen Job herangetreten. Jeder hat sich auf diese Arbeit gefreut und die Ärmel hochgekrempelt, um durchzustarten, sich einzubringen, zu verwirklichen, zu entwickeln … Ein Gefühl von Freude gepaart mit dem von innen kommenden Wunsch, es gut zu machen. Also am Anfang doch eine sehr große Bereitschaft, sich selbst, mit all seiner Kraft, seinem Know-How und seiner Kreativität, in die Arbeit einzubringen. Gute Voraussetzungen, möchte man meinen, für lang anhaltendes Engagement und Freude am eigenen Tun.
Ich sehe jedoch Menschen, die genau diesen Funken der Schaffenskraft und inneren Bereitschaft im Laufe der Zeit einfach nicht mehr in sich entfachen können. Weil sie während ihres tagtäglichen Tätigseins zu wenig Anerkennung erhalten, zu viel Kritik einstecken müssen, zu wenig Handlungsspielraum bekommen, sich nicht weiterentwickeln können, nicht gesehen oder gehört oder verstanden fühlen, und die sich auch finanziell in einem Rahmen bewegen, der ihnen gerade einmal das Über-die-Runden-Kommen plus ein bis zwei Urlaube im Jahr ermöglicht. Nicht aber etwa eine Perspektive schafft, für sich beispielsweise im Alter vorzusorgen. Denn älter werden wir ─ und um die Alten wird sich in unserer Gesellschaft, und das wissen wir ja alle, nicht gerade warmherzig, wertschätzend und liebevoll gekümmert.
Wozu der ganze Stress?
Wer nun also immer noch in seinem Beruf arbeitet, obwohl er sich schon lange ausgelaugt, unbefriedigt und unter Wert verkauft fühlt, der kommt irgendwann an einen Punkt, an dem er sich fragt: »Warum mache ich das hier eigentlich?“ Gerade dieser Punkt begegnet mir immer wieder in Gesprächen: „Es interessiert doch sowieso keinen, wie es in mir aussieht, was mich bewegt oder verletzt, wo ich vielleicht hinmöchte oder dass ich überhaupt den Wunsch nach Entwicklung und Wertschätzung und Selbstverwirklichung verspüre. Und wenn ich was wirklich gut gemacht habe, dann ist es oftmals eine kleine Randnotiz im Tagesgeschehen, wenn ich Glück habe.«
All die so in Mode gekommenen Zielfindungs-, Bewertungs- und Entwicklungsdialoge helfen da meist wenig. Sie dienen in den meisten Fällen eher (ein Hoch auf die sehr wohl existierenden Ausnahmen!) vor allem einem Zweck ─ den Angestellten auf Kurs zu halten oder zu bringen, ihn zu Selbstoptimierung anzuregen (was oft vor allem bedeutet, ihn für die Firma noch rentabler zu machen) und ihn abschließend (oder einleitend) vielleicht noch ein bisschen aufzurichten (Lob darf nicht fehlen, das lernt man in jedem Motivationsseminar). Nur wissen das die Menschen, die in diese Gespräche gehen! Machen wir uns nichts vor. Es ist ja nicht so, dass diese Prinzipien eine Black-Box wären. Sie sind recht gläsern. Ebenso wie der Fakt, dass sich das Gehalt eigentlich nur durch einen Jobwechsel wirklich steigern lässt, verbunden mit dem Risiko der Probezeit, versteht sich. Denn ist man erst mal drin, dann wird es zumeist zäh diesbezüglich. Das ist bekannt.
Leben kostet Geld.
Was ich in diesem Zusammenhang auch interessant finde, ist, dass das Bedürfnis nach einer besseren Bezahlung ja nicht unbedingt der Habgier geschuldet, über- oder an den Haaren herbeigezogen ist. Das Leben, das wir führen, ist teuer. Wer hat denn am Monatsende noch groß was oder überhaut was übrig? Ohne Kinder geht das noch ganz gut. Wenn man seinen Bildungskredit dann endlich mal zurückgezahlt hat, entsteht vorübergehend »Raum für Fülle«, wie man so schön sagt.
Aber mit Familie, da sehen die Zeiten dann nicht mehr ganz so rosig aus. Man bewegt sich nicht nur großen Schrittes in die nicht ganz so einfache Lebensmitte hinein, die viele von uns ohnehin umdenken, nachdenken, grübeln und sich fragen lässt, ob das denn nun schon alles gewesen sein oder wie das jetzt eigentlich weitergehen soll. Zusätzlich hat man auch noch den Nachwuchs zu versorgen, vorzusorgen, weniger Zeit, mehr Verantwortung, mehr Termine. Und das bei gleichbleibender oder, schlimmer noch, weniger werdender Bezahlung ─ Stichwort Teilzeit! Gut machen wollen wir ihn, den Familienjob, das Mutter- und Vatersein, aber auch die Bezahlarbeit. Da wollen wir uns nicht lumpen lassen.
Trotzdem fragt man sich schon ab und zu, wozu das eigentlich alles? Woraus soll ich all die Kraft ziehen, die ich dafür brauche? Woher all die Zeit nehmen, die mir einfach in meiner jetzigen Lebenssituation nicht mehr in Hülle und Fülle zur Verfügung steht? Wer unterstützt dann meinen Partner, wer bringt meine Kinder an meiner Stelle ins Bett, wer schmeißt uns den Haushalt, wenn ich mich beruflich selbst verwirkliche, wie es so schön heißt?
Erfüllung, Werte, Leben
Eigentlich, oder vielleicht auch nur romantisch betrachtet, sollte Arbeit doch so etwas wie Erfüllung ins Leben bringen, der Entfaltung unserer Talente und Fähigkeiten dienen, Freude machen, dem kindlichen Spiel gleich uns in Fluss kommen lassen und uns mit gefühlter und gelebter Sinnhaftigkeit in Kontakt bringen. Doch das erlauben bei vielen zumeist nicht einmal mehr die Inhalte ihres Tuns. Wir produzieren wie die Wahnsinnigen, Dinge, Themen, Virtuelles, allesamt Sachen, die die Welt nicht braucht. Oder doch? Wer weiß.
Was, von dem, was wir tun, macht aber einen positiven Unterschied für uns und andere?
All das kann auf Dauer so nicht gut gehen. Wir brauchen uns nicht wundern, dass so viele an Burnout, Boreout, Depressionen, ständiger Müdigkeit und dem Gefühl der Wert- und Sinnlosigkeit leiden. Richtiggehend krank werden.
Ich denke, dass »arbeiten & leben« zusammengehören. Es ist immer der Mensch, der in einem Unternehmen angestellt ist und sich und seine Persönlichkeit hineinbringt. Leider wird er oft vor allem als Arbeits- und Leistungserbringer gesehen und nicht selten auch so behandelt. Er muss funktionieren. Sich beweisen, sein Feld erobern. Biss haben. Sich durchkämpfen. Und viele tun das sogar schon freiwillig. man muss sie gar nicht erst darauf hinweisen. Das scheint ganz normal.
Darüber täuschen auch Firmenevents und -feiern nicht hinweg. Wir wissen, dass sie einem Zweck dienen sollen, und genau daran kranken sie. Team-Building ist das Schlagwort, das in seiner englischen Form nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was das altmodischer wirkende Wort Kollegialität früher mal ausgedrückt hat. Fühl dich mal hinein in die Wörter: Das eine soll künstlich von außen erzeugt, errichtet werden, fast maschinell. Das andere ist mehr ein Wert, der ganz natürlich von innen kommt. Weil man sich mag und schätzt und gemeinsam an einem Strang ziehen will, um etwas auf die Beine zu stellen. Da muss man nichts erzwingen, da menschelt es, und zwar einfach so. Seltsam, oder? Dass es sowas geben soll. Na, wer weiß!
Vergeude dein Leben nicht, lebe es!
Lasst uns alle wieder mehr an unseren Werten feilen, nach innen schauen und spüren, was uns gut tut und was nicht. Und wenn die Unzufriedenheit zu groß wird, als dass wir sie guten Gewissens und von innen heraus wieder ausbalancieren könnten, ohne uns dabei zu verscherbeln, dann muss es neue Wege geben, wie wir unser Leben führen, füllen und gestalten können. Und zwar so, dass es uns damit gut geht. Dass wir atmen und der/die sein können, der/die wir sind. Der Mensch mit all dem, was ihn ganz persönlich ausmacht, was andere an uns schätzen und wir selbst an uns lieben oder früher so sehr gemocht haben.
Wofür stehst du? Wo stehst du, und wo willst du hin in deinem Leben?
Kannst du dich verwirklichen?
Wenn nicht, dann finde Wege und Möglichkeiten. Fang neben deiner Arbeit an, und lebe dein Leben. Sei mutig und finde zu dir zurück.
Überleg dir, was dir einmal wichtig war? Geh in deine Pubertät und Kindheit zurück und schau, wer du damals warst und sein wolltest.
Nimm dir die Zeit: Worauf kam es dir an, was hat dich erfüllt und was konntest du schon immer ziemlich gut? Was wolltest du vom Leben?
Finde genau das wieder und entfache deinen Funken neu. Und mach was draus.
Vergeude dein Leben nicht, lebe es!