Lieber committen. Da hat man was davon.
Das Wort Verbindlichkeit allein mutet schon etwas altmodisch, überholt und verstaubt an. Heute wird sich eher committet oder ein Commitment eingegangen. Und das meist vor allem dann, wenn es darum geht, dass man etwas erreichen oder davon haben will. Im Hinblick auf Leistung und Nutzen.
Im Sport committen wir uns, regelmäßig zu trainieren, denn sonst klappt es nicht so recht mit der Selbstoptimierung. Auch beruflich ist es schon sinnvoll, dem Arbeitgeber gegenüber ein Commitment abzugeben, sich zu verschreiben, reinzuhängen, die Ellenbogen durchaus auszufahren, wenn es darum geht, voranzukommen. Das widerspricht sich nicht. Es nützt uns ja.
Freundschaft, o.k., aber bitte nicht zu eng!
Auf freundschaftlicher, kollegialer, zwischenmenschlicher Ebene hingegen bleibt es dann doch lieber unverbindlich, locker, zwanglos. Nicht zu viel preisgeben, den Schein wahren, zugewandt ─ aber doch auch reserviert. Mit angezogener Handbremse tuckert es da so vor sich hin. Und so vergehen oft Jahre, in denen der eine oder andere vielleicht doch noch hofft auf etwas mehr: Tiefe, Vertrauen, echtes Interesse, Offenheit, Verlässlichkeit. Eben Verbindlich-Sein.

Über den Tod hinaus
Was ist los mit uns? Warum leben wir das immer weniger, was für viele unserer Eltern noch selbstverständlich war? Wenn ich den Schulfreund meines verstorbenen Vaters nach zehn Jahren endlich einmal wieder besuche, weil ich weiß, dass es ihm und mir gut tut, die Verbundenheit unserer beider Familien zu spüren, dann erlebe ich dabei eine Verbindlichkeit, die von der Freundschaft der beiden jungen Männer bis ins Heute zu mir hinüberreicht ─ etwas, das über den Tod hinaus erhalten bleibt und weitergegeben wird.
Diese gelebte, nicht nur so dahingesagte, Verbindlichkeit ist für mich Freundschaft. Nicht Bekanntschaft, nicht Zweckarrangement, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht. Sondern eben einfach Freundschaft.
Gibt es diese Art von Freundschaft noch?
Wozu Verbindlichkeit?, könnte man fragen …
Verbindlichkeit hat darüber hinaus natürlich auch in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen Raum, ganz klar: Gelungene Nachbarschaft lebt davon und gewinnt eine ganz neue Qualität. Auch Zivilcourage ist nur dann möglich, wenn ich bereit bin, mich einem anderem gegenüber verbindlich zu zeigen, statt ihn in seiner schwierigen Lage auf sich gestellt zu lassen und damit zu ignorieren.
Diese Art der Verbindlichkeit schafft Gemeinschaft, Sinn und Miteinander. Ehrenamt lebt natürlich auch davon. Und nicht zuletzt die vielen kleinen Situationen des Alltags, in denen es einfach nur darum geht, Wort zu halten und füreinander da zu sein.
Wir leben es zudem ja auch unseren Kindern vor: Jede unachtsame Unverbindlichkeit, jeder Wortbruch zerstört den Glauben an Verlässlichkeit. Wenn ich Kindern etwas verspreche oder in Aussicht stelle ─ es müssen nicht die eigenen sein! ─, und es dann am nächsten Tag einfach so absage oder ausfallen lasse, weil es mir gerade doch nicht in den Tagesplan passt oder zu anstrengend erscheint, dann macht das was mit dem Kind. Denn Verlässlichkeit und Verbindlichkeit geben Halt; Unzuverlässigkeit und Unverbindlichkeit hingegen lassen uns fallen, immer wieder. Da braucht es jemanden, der uns dann wieder auffängt. Wenn der nicht da ist, fühlen wir uns einfach fallengelassen und ganz allein damit. Das ist doch traurig, oder?
Ich wünsche uns allen mehr Halt, ein verlässliches, weniger Nutzen-orientiertes, liebevolleres Miteinander und ein wachsendes Bewusstsein dafür, wie gut etwas mehr Verbindlichkeit uns selbst und auch unseren Mitmenschen tun kann.