Herbstgedanken über Heimat, Wurzeln und Entwurzelt-Sein.

Es ist Herbst geworden.

Unser Ahorn im Garten trägt kaum noch Laub. Die Luft ist frisch, fast winterlich. In den letzten Wochen war so viel in mir und um mich herum in Bewegung, dass ich mich jetzt wundere, warum ich gleichzeitig dieses Gefühl der Stagnation nicht so recht loswerde. Passt das zusammen? Es liegt wohl ausnahmsweise mal doch an den Umständen. 😉

Vor zwei Wochen waren wir in meiner alten Heimat. Ich bin Thüringerin. Während die Wahlen und zugleich die Grenzöffnung von vor dreißig Jahren in den Medien umhergeistern, macht mich eher mein eigenes Vergangenes und Aktuelles nachdenklich.

Das sind vor allem persönliche Dinge, die mich beschäftigen. Schöne, nicht so schöne und auch traurige Erinnerungen und das Gefühl, nirgendwo so recht hinzugehören. Geht es nur mir so? Ich glaube nicht.

Auch in mir drin ist Herbst, willkommen, Melancholie!

So wie man mir auf diesem Bild ansieht, dass ich mich doch nicht so ganz wohl fühle – da, hoch oben auf dem Turm der Burg Greifenstein bei Bad Blankenburg -, weil es einfach viel zu hoch ist, um mich entspannen zu können, so geht es mir heute auch oft, wenn ich in meiner Heimat unterwegs bin. Einerseits macht es mich immer wieder froh, dort zu sein. Ich genieße die unverwechselbare Weite und die Tiefe der Landschaft, den Raum, und ich spüre meine Wurzeln. Ich genieße die großartige Thüringer Küche und esse jeden Tag Klöße, wie meine Kinder übrigens mittlerweile auch schon. 😉 Andererseits ist mir die ganze Zeit dabei jedoch so, als ob ich einfach nicht mehr dazugehöre, eine Fremde und auch anders (geworden) bin.

Go west! Und los ging`s.

Wie viele meiner Generation, die aus dem östlichen Teil Deutschlands kommen, bin auch ich direkt nach der Schule aufgebrochen, und habe mich – das war ganz klar – im westlichen Teil Deutschlands niedergelassen. Hier habe ich gelernt, mich auf eigene Beine zu stellen, und hier lebe ich nun, die Hälfte meines Lebens ganz gut soweit. Meistens denke ich gar nicht darüber nach, warum auch? Aber wenn ich in Thüringen bin, dann wird es mir bewusst, dass das Land, aus dem ich stamme, ein ganz anderes war & irgendwie noch immer ist und dass ich zwar von dort komme, mich den Menschen und ihren Schicksalen auch nach wie vor verbunden fühle, aber doch einfach nicht mehr so recht dort hingehöre. Und dass ich auch hier in München eben ein bisschen anders bin.

Und selbst, wenn ich wollte, könnte ich denn wirklich zurück? Was sollte ich, was sollten wir dort tun? Während sich hier in München die Menschen in den U- und S- und Trambahnen drängen und auf den Füßen stehen, weil immer mehr hier herkommen und der Platz einfach kaum noch ausreicht – egal wohin man geht -, sterben im Osten ganze Dörfer mehr und mehr aus, aber auch Städte. Die Geschäfte verschwinden, die einstmals großen Betriebe gibt es kaum noch, und wenn, dann meist nur noch als Ruinen oder bestenfalls Gewerbeflächen. Das macht etwas mit denen, die dort leben …

Was es mit den Menschen macht, die dort leben

Wo sollen die Menschen Arbeit finden? Wie mithalten in diesem immer fordernden, immer irrsinnigeren Höher, Schneller, Weiter?

Im ländlichen/kleinstädtischen Thüringen steht mancherorts die Zeit wie still. Manch einer hat sich darin (mürrisch) eingerichtet, vielleicht. Und doch verzweifeln viele auch daran. Denn die, die jung sind und etwas bewegen könnten – die, die berechtigterweise nach Perspektiven suchen für sich und ihre Familien -, die müssen eben fast alle gehen, obwohl sie lieber bleiben würden. Denn wer geht schon gerne für immer?

Und die, die bleiben – meist sind es ja die älteren -, wie geht es denen wohl damit? Sind das wirlich „Jammer-Ossis“, wie manche sie nennen? Oder sind es nicht doch einfach nur Menschen, die zurückbleiben und miterleben, wie ihre Heimatstädte leer und leblos und immer trister werden? Die ihre Kinder immer seltener zu Gesicht bekommen? Die mit dem wenigen Geld, was sie mit den wenigen Jobs verdienen, die es noch gibt, ihre viel zu kleine Rente noch ein bisschen aufzubessern versuchen, damit sie am Ende nicht auch noch verarmen?

Mir kommt es vor, als hätten wir zwei Parallelrealitäten in unserem Land, und es tut mir leid, aber die Grenze verläuft genau dort, wo sie auch schon vor mehr als dreißig Jahren war.

Und das macht etwas mit den Menschen. Das ist einfach so.

Wie sind deine Erfahrungen damit? Ich freue mich über Kommentare!

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